Motivation

Was uns wirklich antreibt

Was uns wirklich antreibt - Der Ritter und die moderne Psychologie

Ignatius von Loyola war ein Abenteurer, Ritter und Offizier. Er ging ganz in Spielen um Anerkennung, Macht und Dominanz auf. In einer militärischen Auseinandersetzung wurde er durch eine Kanonenkugel so schwer verletzt, dass er nicht nur monatelang bettlägerig war, sondern auch plötzlich unsicher darüber wurde, wie es nun in der Blüte seines Lebens mit ihm weitergehen solle. Er war in eine Krise geraten.

Wir alle kennen solche Situationen des inneren Umbruchs. Ignatius entdeckte in den folgenden Monaten, dass der Ausweg aus der Krise schon in ihm selbst angelegt war. Es gab in ihm selbst ein Potential zu wachsen, das nur freigelegt werden musste. In der Langweile der Krankenstube begann er, sich zwei unterschiedliche Lebensentwürfe anhand von Geschichten plastisch vorzustellen: Weiter wie bisher als Ritter für weltliche Anerkennung und Macht zu kämpfen, oder alternativ den Heiligen nachzufolgen und in Armut und Machtlosigkeit ein Leben in der Nachfolge Christi zu leben. Er entdeckte, dass das alte Narrativ nur eine kurzfristige Begeisterung in ihm hinterließ, während die neue Erzählung eine tiefe, langanhaltende Zufriedenheit in ihm auslöste. Er realisierte, dass dieser gefühlte Unterschied wichtig war, wenn er entdecken wollte, was ihn wirklich langfristig motiviert.

Die moderne Psychologie hat bestätigt, dass Ignatius in der Tat eine wichtige Einsicht in die Struktur der menschlichen Psyche gewonnen hat. Auf der einen Seite gibt es unsere bewussten Lebenspläne und Projekte, die uns ganz explizit gegeben sind. Wir können über sie sprechen, wir können sie begründen und auf Nachfrage auch zum Besten geben. Nennen wir diesen Teil der Psyche den „Kopf“ oder auch das „Ego“.

Auf der anderen Seite gibt es eine Struktur in der menschlichen Psyche, die meist im Unbewussten verborgen ist. In ihr finden wir unsere tiefsten Bedürfnisse und Sehnsüchte, aber auch Spuren all der positiven und negativen Erfahrungen, die uns zu dem Menschen gemacht haben, der wir sind. Die Information in diesem Bereich ist nicht sprachlich verfasst, sondern in komplexen Mustern von Bildern und Gefühlen. Nennen wir diesen Bereich den „Bauch“ oder das „Selbst“. Anders ausgedrückt: Im bewussten Bereich sind unsere expliziten Motive angesiedelt, im unbewussten Bereich unsere impliziten Motive.

Dauerhaft motiviert sind wir nur, wenn unsere expliziten Lebensziele mit unseren impliziten Sehnsüchten in Einklang stehen. Ob unsere expliziten Lebensziele wirklich zu unseren impliziten Motiven passen, finden wir am besten heraus, indem wir die Fantasie einsetzen, Geschichten erzählen, innere Bilder aufsteigen lassen und danach genau unsere Gefühle anschauen. Was Ignatius für sich entdeckt hat, entspricht dem Stand der heutigen Motivations- und Persönlichkeitspsychologie.

Godehard Brüntrup SJ

Godehard Brüntrup SJ, Professor für Metaphysik, Philosophie des Geistes und Sprachphilosophie an der Hochschule für Philosophie in München. Leiter des Instituts für naturwissenschaftliche Grenzfragen zur Philosophie und Theologie. Mitglied des Jesuitenordens.

Die Inhalte dieses Artikels finden Sie vertieft in der Studie "Vom eigenen Selbst motiviert. Die ignatianische Methode und ihre Begründung in der modernen empirischen Psychologie". Die Studie wurde von der Hochschule für Philosophie in München in Zusammenarbeit mit dem Lassalle-Institut erstellt.