Das Symposium des Lassalle-Instituts lädt zur Begegnung und Vernetzung mit inspirierenden Persönlichkeiten ein, die kompetent, wirkungsvoll und erfolgreich für die Umsetzung eines lebensdienlichen Wirtschaftens einstehen. Das diesjährige Symposium fand statt unter dem Namen:
Über die Grenzen hinaus.
Gutes Entscheiden in der Zeitwende.
In einer Zeit des Dauerkrisenzustands und der damit einhergehenden sozial-ökologischen Transformation ist unser Mut besonders gefragt, um uns bekannte Grenzen zu übersteigen. Wie können wir unter solch unsicheren Bedingungen gute Entscheidungen treffen und wie wissen wir, dass es die Richtigen sind? Am Symposium des 9. Februars 2023 haben wir uns diesen Fragen gewidmet. Die Referierenden Martin Kolmar, André Frei und Barbara Frei haben diesen Abend mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen bereichert und mit uns ihre persönliche Motivation und Lebensgeschichte geteilt.
«Ich schätze es, dass sich die Keynote Speakers auch von ihrer persönlichen Seite zeigen. Das ist die grosse Stärke des Symposiums – dass Menschen ihre Lebenserfahrungen und daraus gewachsene Einsichten, gepaart mit ihrer Expertise aus ihren Fachgebieten, einbringen.»
Gabriela Scherer, Universität Luzern
Corinna Adler (l.) stellt Martin Kolmar (r.) vor.
Was brauchen wir für das «gelingende Leben»?
Martin Kolmar erzählte uns vom «Werkzeugkasten» des Ökonomen, mit dem er versucht, die Gesellschaft zu beschreiben und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Angesichts der derzeitigen gesellschaftlichen Umbrüche genügt der Werkzeugkoffer nicht mehr. Gemäss Martin Kolmar brauchen wir technologische und «sozialtechnologische» Lösungen, um einen Ausweg aus den vermeidbaren Folgen der Klima- und Diversitätskrisen zu finden und die unvermeidbaren Folgen gut annehmen zu können. Mithilfe von normativen Grundlagen und einem Wandel unseres Naturverständnisses können wir weiterkommen:
«Wir benötigen einen Wandel unserer Vorstellungen vom Guten Leben. Solange wir nicht tief verstehen und erleben, dass wir Teil von Natur sind, werden wir in einem ausbeuterischen Verhältnis zu ihr und zu uns gefangenbleiben. Und damit nehmen wir uns die Chance, das Gute Leben neu zu denken und zu leben.»
Martin Kolmar, Professor für Volkswirtschaft, Universität St. Gallen
Martin Kolmar befasst sich mit verschiedenen empirischen Forschungsrichtungen, um zu ergründen, was es für das «gelingende Leben» braucht. In der Empirie findet er vieles, was in Weisheitstraditionen schon lange beschrieben wird:
«Meine Hoffnung ist, dass durch die zunehmende Unterstützung dieser an sich alten Botschaft durch die von mir genannte empirische Forschung eine neue Glaubwürdigkeit erhält.»
Eine der Schlüsselfolien aus Martin Kolmars Vortrag
Nachhaltigkeit über «brain, body and soul» erfahren
Gemäss André Frei wächst das Interesse für Nachhaltigkeitsthemen, wenn man sie in Form von «brain, body and soul» erlebt. Um diese Themen und den aktuellen Klimawandel zu verstehen, müssen wir unser «brain» nutzen und uns mit einem neuen Wortschatz, einer neuen Sprache auseinandersetzen. Über den «body» erfahren wir, was der Klimawandel oder die Energiekrise auslösen können, z.B. wenn die Heizung ausfällt und man in der eigenen Wohnung friert.
«Soul» steht für das Spirituelle, für Liebe und Dankbarkeit. Dankbar ist André Frei seinem Primarlehrer, der eine starke Haltung gegenüber Aluminium hatte und ihn dazu inspiriert hat, sich mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen zu befassen. André Frei erklärte, dass wenn eine Person eine starke Haltung gegenüber Nachhaltigkeit ausstrahlt, sie damit andere beeinflussen kann. Genau das verfolgt André Frei als Chairman of Sustainability bei Partners Group und in seinem Umfeld: Er möchte ein Motivator für andere sein.
Eine der Schlüsselfolien aus André Frei's Vortrag
Wir brauchen gute Leader und Diskussionen
In Sachen Energieeffizienz ist Barbara Frei die Motivatorin. Seit Kindesalter ist sie davon fasziniert und heute Executive Vice President Industrial Automation bei Schneider Electric und Verwaltungsrätin Swisscom. Gemäss Barbara Frei ist ein Fokus auf Elektrifizierung und Digitalisierung unabdingbar.
Eine der Schlüsselfolien aus Barbara Frei's Vortrag
Das bedeutet jedoch für viele, aus der Komfortzone rauszukommen und Grenzen zu überschreiten. Hier sieht Barbara Frei die Notwendigkeit von guten Leadern: Sie müssen daran glauben und dafür einstehen. Damit die Grenzen gemeinsam beschritten werden können, braucht es gemäss Barbara Frei einen ausführlichen und ehrlichen Dialog, auch über die Dinge, die noch nicht gut laufen. Man soll sich dafür Zeit nehmen und Sicherheit bieten.
«Es wird viel geredet, aber viel wird nicht gesagt. Jetzt ist die Zeit zu handeln - darauf verwenden viele noch zu wenig Zeit.»
Barbara Frei trägt ihre Inhalte vor.
Mit Positivität über die Grenzen hinausgehen
Um den persönlichen Austausch am Symposium zu fördern, erhielten die Teilnehmenden nach den Referaten die Möglichkeit, sich mit einem der drei Referierenden und anderen Teilnehmenden in Kleingruppen vertiefter auszutauschen.
«Was ich sehr geschätzt habe, sind die verschiedenen Diskussionen in den Gruppen und während des anschliessenden Apéros. Der Austausch mit den Teilnehmern war befruchtend und bereichernd.»
Thomas Schmuckli, Verwaltungsratspräsident, Bossard Gruppe
In der abschliessenden Diskussion im Plenum fragte die Moderatorin Corinna Adler die Referierenden danach, was es an Fähigkeiten braucht, dass es gelingt, eine Sprache zu sprechen, die alle verstehen. Grenzen zu überschreiten, bedeutet nämlich auch, Sprachgrenzen zu bewältigen und eine Sprache zu wählen, die verstanden wird. Gemäss Martin Kolmar und André Frei ist es wichtig, die Nachhaltigkeitsthemen in eine für die Beteiligten verständliche Sprache zu übersetzen. Die Menschen sollen mithilfe von fassbaren Beispielen verstehen: was heisst das jetzt für mich genau?
Sprache dient gemäss Martin Kolmar auch als «Problemlösungswerkzeug». Es braucht ausführliche Diskussionen, um Probleme besser zu identifizieren, meint Barbara Frei. Probleme verschwinden nicht und werden an der Kaffeemaschine diskutiert, wenn sie nicht offiziell angesprochen werden. Auch im Gespräch mit Teilnehmenden wird die Wichtigkeit des Diskurses nochmals aufgegriffen:
«Einer der für mich wichtigsten Punkte ist die Bedeutung der Debatte. Dass man respektvoll mit dem Gegenüber umgeht, das vielleicht eine andere Meinung hat. Wir haben dieselben guten Absichten und wir müssen den Weg gemeinsam finden, anstatt Meinungen zu unterdrücken oder unterschwellig sein zu lassen.»
Georg Meyer, Verwaltungsratspräsident Preston Meyer AG & Verwaltungsratsmitglied Assembled Products, Inc.
Neben Möglichkeiten des Austauschs ist für André Frei Transparenz bei Nachhaltigkeitsthemen sehr wichtig. Er meint, dass Unsicherheiten miteinander geteilt werden sollen:
«Bei Sustainability Themen sind Messbarkeit und Kausalität oft eine Herausforderung. Zum Handeln müssen in diesen Fällen Überzeugung und eine starke Hypothese zum erwarteten Outcome und Impact ausreichen.»
André Frei bei seinem Vortrag
Am Ende der Diskussion wurden die Referierenden danach gefragt, was für sie an diesem Abend wichtig geworden ist und wie sie das Symposium empfunden haben. Alle drei Sprecher:innen schätzen die konstruktiven Gespräche und die positive Stimmung im Raum. Dies wird auch vom Publikum und von der Moderatorin Corinna Adler so wahrgenommen:
«Die Positivität des Publikums hat mich wirklich sehr berührt. So eine Diversität im Publikum, in den Themen und Meinungen findet man wirklich selten. Das Symposium ist ein top Format.»
Corinna Adler, Geschäftsführerin, USZ Foundation
Ins Handeln zu kommen und uns vertraute Grenzen zu übersteigen, das müssen wir in der sozial-ökologische Transformation mehr denn je. Die Positivität von anderen Menschen und der Austausch mit ihnen geben uns die Kraft, gemeinsam über Grenzen hinauszugehen.
Die Teilnehmenden des Symposiums tauschen sich über die Inhalte aus.
Bild und Text von Eva Nebel